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5 Gründe, warum Plagiate nicht gemeldet werden

Turnitin auf der Campus Innovation 2019: mit Infostand sowie Workshop "Plagiate effektiv erkennen und vermeiden". Im Folgenden ein Artikel von Jonathan Bailey, Plagiarismus Berater / Plagiarism Today

5 Gründe, warum Plagiate nicht gemeldet werden

Jonathan Bailey, Plagiarismus Berater / Plagiarism Today

Im Jahr 2012 ging die Harvard University mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, dass wegen des Verdachts auf Plagiate gegen etwa 125 ihrer Studierenden in einem Kongress-Einführungskurs ermittelt werde. Letztendlich wurden rund 70 Studierende der Universität verwiesen.

Diese Schlagzeile zog enorme Aufmerksamkeit auf sich, weil es sich nicht nur um einen großen Skandal der akademischen Integrität an einer der renommiertesten Bildungseinrichtungen der Welt handelte, sondern auch ein seltener Einblick in die oftmals geheime Welt der akademischen Qualitätssicherung gewährt wurde.

Leider neigen Bildungseinrichtungen nicht immer dazu, offen und transparent in Bezug auf ihre Probleme mit Plagiaten zu sein. Aus vielen Gründen sind Bildungseinrichtungen versucht, Plagiatsfälle nicht zu melden, zu begraben oder zu verbergen.

Ob es nun darum geht, die Einrichtung/die Studierenden zu schützen oder einfach nur die Folgen zu vermeiden, die sich daraus ergeben können: Die Versuchung, Verletzungen der akademischen Integrität nicht immer zu melden, besteht fast immer.

In diesem Zusammenhang nennen wir hier fünf Gründe, warum Bildungseinrichtungen versucht sein könnten, Plagiate nicht zu melden, und warum sie diese nicht befolgen sollten.

Grund 1: Zum Schutz der Bildungseinrichtung

Plagiate werden im Allgemeinen als negativ angesehen. Wenn vermutet wird, dass eine Bildungseinrichtung ein Plagiatsproblem hat, ist das für den Ruf der Schule schädlich. Sie kann als eine Art “Oase für Betrüger” bekannt werden.

Natürlich muss ein Anstieg aufgedeckter Plagiate nicht unbedingt eine tatsächliche Zunahme von Plagiaten bedeuten. Oft werden solche Verschiebungen ganz oder teilweise auf eine bessere und gründlichere Qualitätskontrolle zurückgeführt.

Dennoch kann der Ruf, eine Einrichtung mit Plagiatsproblemen zu sein, Lehrende und Einrichtungen dazu motivieren, solche Statistiken zu verbergen – auch wenn die Offenlegung Vorteile mit sich bringen könnte – und offizielle Anzeigen der Studierenden zu vermeiden.

Dies ist unnötig, denn Plagiatsfälle gibt es überall. Wie der Fall Harvard zeigt, schadet es dem Ruf einer Schule nicht, wenn Plagiate aufgedeckt werden, sondern vielmehr wenn mit der Thematik schlecht umgegangen wird. Ein Ruf, Plagiate ernst zu nehmen, ist weitaus wichtiger als der Versuch, einen Ruf als Einrichtung aufzubauen, an der Plagiate nicht vorkommen.

Grund 2: Zum Schutz der Studierenden

Ein weiterer Grund, warum Lehrende und Administrator*innen verleitet sein könnten, einen Plagiatsfall nicht zu melden, ist der Schutz der/des betroffenen Studierenden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn angenommen wird, dass es sich um den ersten Plagiatsfall handelt oder wenn es mildernde Umstände gab, die die Situation des Studierenden verständlicher machen.

Der Hintergrund ist, dass wenn es zu keinem offiziellen Verfahren kommt, die Möglichkeit einer weniger strengen Bestrafung und einer zweiten Chance für den Studierenden besteht.

Langfristig wirkt sich das aber nicht immer zum Vorteil des Studierenden aus. In einer idealen Welt geht es beim akademischen Integritätssystem nicht nur um die Bestrafung von Studierenden, die gegen den Ehrenkodex verstoßen, sondern auch darum, Studierenden in Not zu helfen.

Wenn Plagiarismus nicht angezeigt wird, gibt es keine Gewissheit darüber, ob es sich bei dem Vorfall um das erste Problem des Studierenden handelt. Anstatt dem Studierenden eine zweite Chance zu geben, könnte so ein fünftes oder sechstes Vergehen ermöglicht werden.

Ohne die Meldung von Plagiarismus erhalten Studierende nicht die benötigte Hilfe und es gibt keine Aufzeichnungen zum möglichen Ausmaß der Ernsthaftigkeit des Problems.

Grund 3: Zur Vermeidung von Schwierigkeiten

Lehrende und Administrator*innen fürchten häufig die Schwierigkeiten, die mit einer Meldung von Plagiarismus einhergehen können. Die Bearbeitung solcher Fälle kann langwierig sein und oft Monate in Anspruch nehmen. Das kann es sehr verlockend machen, solche Fälle einfach “unter den Tisch zu kehren".

In der akademischen Welt gibt es viele Berichte, in denen Studierende Verstöße gegen die akademische Integrität begehen, aber gegen die Anklage protestieren und für ihren Fall kämpfen, egal wie eindeutig die Beweise sind. Dies kostet Administrator*innen und Lehrende gleichermaßen viel Zeit.

Es kann sehr verlockend sein, Schwierigkeiten vermeiden zu wollen, den Plagiarismus nicht zu melden und die Dinge im Stillen abzuwickeln. Wie oben angesprochen, hilft dies jedoch weder dem Studierenden noch der Bildungseinrichtung. Die Bildungseinrichtung benötigt die Daten und der Studierende hat möglicherweise Bedürfnisse, die nicht nur durch das reine Wiederholen der Aufgabe erfüllt werden können.

Stattdessen sollten sich die Bildungseinrichtungen darauf konzentrieren, den Prozess der akademischen Integrität zu rationalisieren, damit dieser für alle Parteien fair ist, aber keine Seite übermäßig belastet.

Grund 4: Zur Sicherung der Finanzierung

Bildungseinrichtungen erhalten ihre Mittel häufig aus verschiedenen Quellen, und manchmal setzt die Finanzierung Einrichtungen unter Druck, einen bestimmten Gesamtnotenschnitt, eine Abschlussquote oder einen anderen Maßstab in Bezug auf die Erfolgsquote der Studierenden einzuhalten. Fälle im Zusammenhang mit der Verletzung der akademischen Integrität können diesen Zahlen schaden.

Dies ist besonders an öffentlichen Bildungseinrichtungen zu spüren, an denen mehrere wichtige Finanzierungsquellen mit der Leistung der Studierenden verknüpft sind. Dies hat Geschichten aufkommen lassen, dass Schulen das Betrügen nicht nur ignorieren, sondern sogar fördern.

Das Problem hierbei ist, dass es bei der akademischen Integrität darum gehen sollte, Studierenden zum Erfolg zu verhelfen und sie nicht zum Scheitern zu zwingen. In Plagiatsfällen wird beispielsweise nur sehr selten auf den Verweis aus der Bildungseinrichtung zurückgegriffen. Der Schwerpunkt liegt und sollte darauf liegen, den Studierenden dabei zu helfen, die Dinge wieder in den Griff zu bekommen.

Der Druck, die Erfolgsziele der Studierenden zu erreichen, kann Lehrende und Administrator*innen jedoch dazu verleiten, Plagiarismus nicht zu melden und vertraulich zu behandeln.

Grund 5: Mangelndes Wissen

In einer Studie, die von Darrin Nelson von der Embry-Riddle Aeronautical University auf der International Center for Academic Integrity-Konferenz 2019 vorgestellt wurde, wusste nur die Hälfte der befragten Lehrenden, wo die Formulare zur Meldung von Verletzungen der akademischen Integrität zu finden waren.

Dies ist ein Muster, das wir immer wieder sehen, denn die Analyse zeigt, dass ein kleiner Prozentsatz der Lehrenden den Löwenanteil der Meldungen ausmacht. Beispielsweise meldeten an der Fresno State University nur 10 Prozent einen Verstoß gegen die akademische Integrität.

Pädagogen für den akademischen Integritätsprozess zu sensibilisieren, wie er beginnt und was er beinhaltet, ist ein erster Schritt.

Schlussfolgerungen

Wenn es um akademische Integrität geht, insbesondere um Plagiarismus, gibt es viele Gründe, die Lehrende, Administratoren und Bildungseinrichtungen dazu verleiten, Verstöße nicht zu melden. Dies ist jedoch weder für die Bildungseinrichtung noch für die Studierenden von Vorteil.

Es schadet nicht nur ehrlichen Studierenden, die ihre Arbeit korrekt erledigen, sondern raubt Studierenden auch die Möglichkeit, zu lernen sich zu entwickeln und zu verbessern. Niemand gewinnt.

Bildungseinrichtungen müssen sicherstellen, dass ihre Lehrenden wissen, wann und wie Verstöße gegen die akademische Integrität zu melden sind und dass Probleme schnell behoben werden. Egal wie verlockend es sein mag, solche Vorfälle geheimzuhalten, entsprechende Aufzeichnungen sind für alle Beteiligten sehr wichtig.

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Zur englischen Originalversion dieses Artikels